Ostfriesischer Kunstkreis besucht StreetArt Festival in Wilhelmshaven

Ein Bericht von Rüdiger Stenzel

Am Sonntag 5. August machte sich eine Gruppe von 18 Künstlern und Angehörigen von Esens und Wittmund mit dem Zug auf den Weg nach Wilhelmshaven zum 8. Internationalen StreetArt Festival.

Dort wurden wir zunächst von Michael Diers, dem Veranstalter und Organisator des Festivals in Empfang genommen. Er erzählte eindrücklich von den Anfängen des Festivals im Jahr 2011 und den rasanten Fortschritten in den kommenden Jahren. Über das größte 3D-Bild der Welt im Jahr 2012 entwickelte sich das Wilhelmshavener Festival zu einem der wichtigsten in Europa, mit Partnerstädten und gegenseitigen Besuchen in Mexiko und Dänemark.

2016 gab es sogar eine Anfrage aus Pakistan, worauf die Botschaft sich meldete, ob der Künstler auch malen könne. Er bekam dann sein Visum, nach der Erstellung eines 3D-Bildes vor der deutschen Botschaft im Pakistan.

Aktuell melden sich etwa 100 Künstler für das Festival an, wovon dann etwa 35 auch zum Festival eingeladen werden. Sie bekommen dann den Flug, die Unterkunft und die Verpflegung bezahlt. Dafür stehen etwa 70 000 Euro zur Verfügung, wobei ein Teil auch durch Sponsoren abgedeckt wird. Preisgelder gibt es nicht, lediglich 10 Pokale werden als Preise am Ende ausgeteilt, jeweils den ersten bis dritten Platz in den Kategorien Kopisten, freie Künstler und 3D-Künstler. Zusätzlich gab es bislang immer noch einen Publikumspreis. Das hat sich dieses Jahr geändert. Das Publikum bestimmt in allen drei Kategorien statt bisher einer Jury und den 10. Preis bestimmen die Künstler unter sich.

Nach der anschaulichen Einführung ging es dann langsam weiter durch die Marktstraße. Zunächst trafen wir auf Frederike Wouters (FreddArt), die uns etwas aus ihrer Sicht zu den Festivals auf der Welt mitteilte. Auch sie bestätigte, dass unter den Künstlern, die so eine Art Familie bilden, Wilhelmshaven ein sehr willkommener Ort ist, da hier die Rahmenbedingungen, der Service und das Publikum stimmen.

Wir unterhielten uns auch über die Techniken, die Kreiden und Pigmente und über die Haltbarkeit der Bilder und Auftragsarbeiten. Bei ihr sei es da vor Kurzem in Troisdorf zu einem Disput gekommen über die Beseitigung der Bilder vom Untergrund. Daher würde sie bei Nichteinigung dann selbst Hand anlegen und daraus noch eine PR-Aktion machen.

Wir mussten nun weiter, da die Marktstraße mit Menschen gefüllt war und wir uns noch weitere 30 Bilder anschauen wollten.
Bei Floya Jam, einer aus Frankreich stammenden Künstlerin, machten wir Halt, um uns mit ihr über ihre Technik Mandala zu unterhalten. Sie hatte auch schon Tage zuvor ein großes Mandala auf dem Gotthilf-Hagen-Platz gemalt, das nun vom Publikum ausgemalt werden konnte. Mit dem Einbinden von Mandala-Elementen hatte sie vor drei Jahren begonnen und sich somit auch ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Susanne half noch ein wenig im deutsch – englisch - französischen Sprachenmix.

Als nächstes besuchten wir zusammen Nikolaj Arndt, einen deutsch-russischen Künstler, der die 3D-Technik perfekt beherrscht. Sein Bild mit zwei Löwen an einer Löwenstatue beeindruckte alle. Doch leider war Nikolaj noch zu sehr mit dem Bild beschäftigt und in Zeitdruck, dass wir uns vor Ort nicht mit ihm unterhalten konnten.
Hier nun sein fertiges Bild mit dem er später auch den ersten Platz belegte.

Durch die vielen kleinen Schlangen bei den 3D-Bildern, zog sich die Gruppe schnell auseinander. Die Eindrücke waren überwältigend, genauso wie die Menschen-massen.

Wir steuerten daher noch das Familientrio Carlosalberto GH, Adry del Rocio und Ruben Poncia an.
Mit Carlosalberto kamen wir ins Gespräch, denn er hatte sein Bild bereits fertig, während Adry noch fleißig an ihrem sehr farbenfrohen und detaillierten Bild arbeitete und wir sie daher nicht stören wollten. Beeindrucken bei den mexikanischen Bildern ist die Strahlkraft der Farben. Carlosalberto erzähle uns dazu von der Technik mit Haarspray, das die Farbpigmente fixiert und auch die Farben stärker zum Vorschein kommen lässt. Vielfach würde als Bindemittel aber auch Cola verwendet.

Das Siegerbild in der Kategorie „freie Künstler“ mit einer beeindruckenden Botschaft:

"Es ist die Zeit zu leben, die einzige“

Wir sind 7.450 Millionen Menschen auf diesem Planeten und es existieren 5.200 vom Aussterben bedrohte Tierarten. Dieser Kolibri gehört zu diesen bedrohten Tierarten.
Diese Zahlen können erdrückend sein, doch die Wahrheit ist, jedes Lebewesen ist einzigartig und trägt zum Gleichgewicht allen Lebens selbst bei.

Wir Menschen sind die Spezies, die in der Lage ist dieses Leben zu schützen, es zu genießen und eine positive Veränderung zu bewirken und weiterzugeben.
Dieses Kunstwerk ist eine Einladung, sich bewusst mit unserem Dasein und dem Leben um uns herum auseinanderzusetzen und zu sehen, wie unglaublich schön es sein kann zu leben.

Ruben trafen wir nicht an, da er bei der Preisverleihung der Kinderbilder beteiligt war. Er malt gerne comicartige Bilder in die sich das Publikum integrieren kann. Hier ein Kätzchen im Vordergrund, das von drei Bestien gejagt wird.

Ich wurde dann noch von Susanne fotografiert, wie ich die Bestien gerade noch von dem Kätzchen zurückhalten kann.

Mit diesen Bildern waren wir an das Ende der Präsentation auf der Marktstraße gelangt und ließen uns bei Leffers Cafeteria zunächst etwas erschöpft in die Sessel fallen. Dort bekam jeder der Teilnehmer ein Getränk vom Ostfriesischen Kunstkreis spendiert und man saß ein paar Minuten zusammen und unterhielt sich über die Bilder und die dazugehörigen Nummern für die Prämierung. Es war schon etwas schwierig, die vielen Eindrücke zu verarbeiten und sich selbst klar zu werden, welches Bild in welcher Kategorie das Schönste ist. Nach einiger Diskussion sind dann Stimmzettel fertig geworden und ich brachte sie schnell zurück zum Infostand, um noch vor dem Annahmeschluss dort einzutreffen.

Einige gingen entweder den Weg durch die Marktstraße langsam zurück, um einige Bilder noch einmal genauer betrachten zu können, die anderen folgten mir Richtung Valois-Platz, um dort sich das Großbild näher anzuschauen. Die Schlange war dort immer noch sehr lang, deshalb ging eine Gruppe alternativ zu Silke Kirchhoff und Katrin Rausch, die in diesem Jahr drei Modell mit Pinsel, Schwamm und Airbrush bemalt hatten. Wir unterhielten uns mit ihr über ihren Einstig über das Bemalen und Schminken von Kindergesichtern bis hin zum Kreieren von Kunstwerken auf dem ganzen Körper bei Meisterschaften. Vertrauen und Sympathie sei ganz wichtig beim Umgang mit lebenden „Leinwänden“. Und für die Models bedeute es auch ein großes Durchhaltevermögen, denn die Fertigstellung dauere etwa 5 bis 7 Stunden und so manches Model sei auch schon dabei umgekippt. Die Farben selber seien hautverträglich und atmungsaktiv, so dass dies kein Problem darstelle. Mit Wasser und Duschgel seien sie auch wieder relativ einfach zu entfernen. Einer unserer Mitglieder bot sich zum „Abwaschen“ an. Die Models wurden am Samstag und am Sonntag jeweils mit anderen Motiven bemalt.

Gegen 18 Uhr fand dann die Siegerehrung statt. Hier wurden zunächst die drei Models noch einmal auf der Bühne präsentiert und das Motiv erläutert, denn alle drei nebeneinander ergaben WILH ELMS HAVEN 150 JAHRE und auf dem Rücken war die Kaiser-Wilhelm-Brücke zu sehen. Also eine Werbung für nächstes Jahr, denn dann wird noch etwas größer gefeiert weil Wilhelmshaven 150 Jahre alt wird.

Als erster Künstler musste dann Carlosalberto GH (Mexiko) auf die Bühne, er bekam den dritten Platz als Kopist, gefolgt von Kathrin Holdorf (Platz 2, Deutschland) und Ignacio de Jesus Chávez Salinas (Platz 1, Mexiko).

Bei den freien Künstlern erhielten Stefan Pollack (Deutschland) für Platz 3, Xavier Arredondo (Mexiko) für Platz 2 und Adry del Rocio (Mexiko) für Platz 1 ihre Trophäen.

Bei den 3D-Künstlern waren viele ansprechende Werke darunter, doch durchsetzen konnte sich Juan Ignacio Sanchez (Mexiko) für Platz 3, Ruben Poncia (Niederlande) für Platz 2 und Nikolaj Arndt (Deutschland) für Platz 1.

Der Preis der Künstler ging an Kerim Mušanović (Bosnien-Herzegowina), der auch beim großen 3D-Bild mitgewirkt hatte.

Zum Abschluss gingen alle Streetart-Künstler noch einmal auf das große 3D-Bild auf dem Valois-Platz und vom Publikum bestaunt und fotografiert über die venezianische Brücke.

Nun war abschließend auch noch Zeit sich mit der besonderen Künstlerfamilie Adry del Rocio, Bruder Carlosalberto GH und Ehemann Ruben Poncia, die ebenso wie letztes Jahr alle einen Preis erhielten, ein paar Worte zu tauschen.

Es sind drei Künstler, die es mit ihrem Niveau geschafft haben, ausschließlich von der Kunst zu leben. Seit ihrer Hochzeit vor zwei Jahren sind sie oft gemeinsam auf Tour durch die Welt und bekommen Großaufträge von Unternehmen wie Disney oder Adidas. Ihr letztes Projekt liegt gerade eine Woche zurück, wo sie ein großes Bild an die Wand eines Hotels in Mexico City fertig gestellt hatten. Dennoch gehen sie auf Festivals wie in Wilhelmshaven, um der Basis treu zu bleiben und auch weiterhin Werbung für sich machen. Adry überlege noch, ob sie auch mal eine Pause einlegen solle, man werde ja auch älter. Aber den Draht nach Wilhelmshaven werde sie nie verlieren, schließlich hätte sie ja auch hier jährlich Preise erhalten.
In der Tat ist sie wohl die erfolgreichste Künstlerin in den 8 Jahren StreetArt Festival in Wilhelmshaven.

Zum Abschied haben wir noch ein Foto mit einem Teil unserer Gruppe gemacht und haben uns dann Richtung Bahnhof begeben. Die Künstler feiern noch abschließend zusammen im Pumpwerk. Auch das macht Wilhelmshaven aus, die Atmosphäre vor während und nach dem Festival ist familiär geprägt und daher kommen die Künstler auch alle gerne wieder.

Wir fuhren dann wieder mit dem Zug nach Wittmund und Esens zurück. Im Zug wurden noch Bilder gezeigt und über die Eindrücke sehr lebhaft und begeistert diskutiert. Es war sicherlich auch anstrengend, aber jeder war zufrieden, wenn auch ein wenig müde.

Diesen Bericht gibt es auch als PDF-Datei.